Mitten in der Dunkelheit strahlt ein Licht
Ich will dem Winter nicht entfliehen.
Die dunkle Zeit des Jahres will ich miterleben.
Zu keiner Zeit kann eine Kerze heller brennen.
Zu keiner Zeit kann es zu Hause schöner sein.
Zu keiner Zeit kann eine Kerze heller brennen,
als wenn es früh schon dunkelt
und vor dem Fenster kalte Nebelschwaden ziehn.
Im Schein der Kerzen rücken wir zusammen.
Es ist die Zeit der Träume und Erinnerungen.
Die Zeit, wo wir uns näher sind. Nein,
ich will dem Winter nicht entfliehen.
Sabine Ulrich
Darum kann ich wohl den Worten von Sabine Ulrich so viel abgewinnen. Ich mag diese Zeit im Jahr, in der die Tage kürzer sind und die Nächte länger. In der ein warmes Licht in mein Zuhause einzieht.
Und ich habe – ähnlich wie Sabine Ulrich – das Gefühl, dass die Menschen in dieser Jahreszeit – im Advent, an Weihnachten und auf dem Weg in das neue Jahr – enger zusammen rücken, milder werden, sorgsamer aufeinander bedacht. Jedenfalls ein wenig mehr als sonst im Jahr.
Die dunkle Jahreszeit ist aber auch für viele Menschen besonders schwer. Denn das Licht, das in der Advents- und Vorweihnachtszeit die Herzen erwärmen soll, macht es dem trauernden Herzen umso bewusster und schwerer, dass jemand fehlt. In keiner Jahreszeit ist die Sehnsucht nach einem Angehörigen, den wir gehen lassen mussten, so groß wie jetzt.
Nur ein paar Wochen ist es her, da haben wir die letzten kraftvollen Sommer-Sonnenstrahlen im Oktober genossen. Und nun ist – nach diesem allzu warmen und langen Sommer – doch die dunkle Jahreszeit eingekehrt.
Wie in jedem Jahr habe ich irgendwann nach der Zeitumstellung am frühen Abend am Fenster gestanden und in die Dämmerung geschaut. Und wie in jedem Jahr sagte ich: „Nun ist es soweit. Es wird wieder dunkel.“
Dabei stimmt das so eigentlich nicht. Denn in keiner Jahreszeit ist mein Verbrauch an Kerzen und an Feuerholz für den Ofen so hoch, wie in der so genannten dunklen Jahreszeit. Ganz nach dem Motto: Wenn es schon draußen so früh dunkel wird, dann mache ich es mir eben drinnen hell und gemütlich.
Das Volk, das im Finstern wandelt,
sieht ein großes Licht,
und über denen, die da wohnen im finstern Lande,
scheint es hell. (Jes 9,1)
Es scheint ein Licht in der Dunkelheit. Nicht nur dann, wenn wir es für uns selbst entzünden. Es scheint ein Licht in der Nacht, weil es dort hingesetzt wurde. Von Gott. Genau in diese, unsere Dunkelheit, genau in diese Zeit, genau für diejenigen, die im Finstern wandeln und wohnen. Und es scheint hell. Hell und warm. Heraus aus der Krippe in unsere Welt.
Nein, ich will dem Winter nicht entfliehen. Nein, ich will der Dunkelheit nicht entfliehen, kann es wohl auch nicht gänzlich, denn das hieße in dieser Welt, dass ich alles hinter mir ließe. Erinnerungen, Hoffnungen, Träume. Nur durch die dunklen Zeiten erkenne ich das Licht wirklich. Im Wissen, dass das Leben nicht nur sonnig und strahlend verläuft, genieße ich die segenshellen Tage umso mehr.
Und dann passiert es vielleicht ganz unverhofft: Da strahlt auf einmal mitten in meine Dunkelheit, in meine Nacht ein freundliches und warmes Licht. Ein Lächeln, eine Umarmung, ein gutes Wort, ein Augenblick der Stille oder ein Bild, das Hoffnung macht. Und dieses Licht breitet sich aus. In mir, in meinem Leben, in meinen Mitmenschen, vielleicht sogar in der Welt.
Ich wünsche uns allen in der angebrochenen Adventszeit und in der kommenden Weihnachtszeit viele helle Stunden und viele warme Augenblicke mit Menschen, die Licht in unsere Welt bringen. Ich wünsche uns Momente, in denen auch wir das Licht, das in diese Welt kam und immer wieder kommt, weiter geben. Auf dass es uns anrühre und in die Gemeinschaft rufe. Auf dass es uns tröste und Halt gebe. Auf dass es uns leuchte in der dunklen Jahreszeit.
Ihre und eure Pastorin Sina Schumacher