Impuls von Pn. Schumacher zum Sonntag, 15. März 2020
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
kaum zu glauben und doch real: Ab sofort bis zunächst einschließlich den 19. April werden, neben vielen anderen Kirchengemeinden unserer Landeskirche, auch wir hier in Calberlah keine Gottesdienste feiern. Wir halten uns dabei an die dringliche Empfehlung unserer Landeskirche Hannovers und auch des Kirchenkreises.
Ich habe mich in den vergangenen Tagen häufig mit der Frage beschäftig, wann kam das eigentlich das letzte mal vor? In Krisenzeiten – kein Gottesdienst. Das klingt auf der einen Seite auch für mich unmöglich. Könnte man sich doch die Frage stellen: Muss nicht Kirche gerade in diesen Zeiten den Raum für Verkündigung der Hoffnung bieten? Ja, das glaube ich auch. Und doch – und das ist die andere Seite – haben wir als Kirche, als Kirchengemeinde, eine große Verantwortung für viele Menschen. In unseren Gottesdiensten, in unserer Kirche sind viele Menschen unterwegs. Es ist immer wieder wunderbar zu sehen, dass unsere Kirchengemeinde immer wieder die unterschiedlichsten Menschen willkommen heißt. Und gerade weil hier so viele Menschen zusammenkommen, tragen wir Verantwortung für jeden dieser Menschen. Auch für Sie.
Unser Landesbischof Ralf Meister hat dazu Worte gefunden:
Vieles, was uns wie selbstverständlich erschien, wird momentan fragwürdig. Gemeinschaft und Nähe sind gefährlich. Gesundheit ist keine Privat- oder Familienangelegenheit, sondern wird in der Weltgesellschaft verspielt oder verantwortet. So entlarvt Covid-19 gewohnte Sicherheiten. Verantwortliches Handeln braucht jetzt Nüchternheit, Mut in den Entscheidungen und Rücksicht auf die Menschen, die zu den Risikogruppen gehören. Aus Sicht der Virologen muss die Ausbreitung des Virus konsequent entschleunigt werden. Zu einem guten Zeugnis in dieser Welt gehört, mit aller uns möglichen Konsequenz zur Bewältigung dieser Krise beizutragen. Am 10. März erinnerte der Lehrtext der Herrnhuter Losung: „Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1, 7). Aus Liebe, vor allem aber auch in Besonnenheit handeln wir.
Bleiben Sie behütet! Ihr Ralf Meister
Der Vers, den Landesbischof Meister aus dem zweiten Timotheusbrief zitiert, ist ein ganz besonderer Vers für mich. Ich bin vor vier Jahren hier in Calberlah zur Pastorin ordiniert worden. Diesen Vers hatte ich mir als Geleitwort für mein Amt ausgesucht.
Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!
Heute mehr denn je lese ich diesen Vers und kann nicht anders als zu nicken, die Augen zu schließen und durchzuatmen.
Ja, gewiss, auch ich bin in Sorge, auch wenn ich weiß, dass all die Maßnahmen, die zurzeit getroffen werden, zunächst nur der Verlangsamung des Virus dienen. Mein Verstand weiß das. Und doch, mein Herz schlägt ab und an schneller vor Sorge, wenn ich die Nachrichten schaue oder die Zeitung aufschlage.
Genau in diese Sorge hinein erklingt dieses Briefwort. Verfasst vor langer Zeit. Sicherlich schon so oft gesprochen in den vielen Krisenzeiten, die seitdem auf unserer Welt auszustehen waren.
Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!
Kraft und Liebe und Besonnenheit! Gerade in Zeiten, in denen uns die Furcht zu übermannen versucht. In Zeiten, in denen sich Menschen fragen, ob die Vorräte reichen, ob der Kontakt zu geliebten Menschen sein muss.
Kraft und Liebe und Besonnenheit. Das sind drei Dinge, die uns Menschen an die Hand gegeben sind. Von niemandem geringeren als von Gott selbst!
Ja, da steckt die Kraft in uns, uns nicht von der Furcht, der Panik und Hysterie übermannen zu lassen. Die Kraft, der Ungewissheit der nächsten Wochen standzuhalten. Die Kraft, für andere da zu sein. Wenn schon nicht mit einer Umarmung, dann doch mit einem langen Augenkontakt, mit einem guten Wort über das Telefon, mit einem schon lang nicht mehr geschrieben Brief oder einer kurzen Nachricht über das Handy.
Da steckt Liebe in uns. Liebe, die nichts mit einem blinden Verliebtsein zu tun hat, sondern die weiß, wie ich meinem Mitmenschen begegnen kann, ohne seine Gesundheit zu gefährden. Liebe, die uns aufruft, an den anderen zu denken, ihn in unser Gebet einzuschließen. Liebe, die alles hofft für unser Gegenüber.
Und nicht zuletzt steckt da Besonnenheit in uns. Sie zum Leuchten zu bringen ist in diesen Tagen besonders von Nöten. Immer wieder sind wir angehalten, besonnen auf Situationen zu reagieren. Besonnen, bedachtsam und achtsam mit unseren Gedanken, Worten und Taten umzugehen.
Besonnenheit und Liebe und Kraft, diese drei Gaben Gottes an uns Menschen werden uns durch diese Zeit hindurch helfen. Dessen bin ich mir sicher. Denn auch, wenn an Ostern kein gemeinsamer Gottesdienst stattfinden wird, heißt das noch lange nicht, dass Gott an diesem Tag schweigt! Gerade jetzt, hier und unter uns wird die Osterbotschaft, die da kommen wird in ein paar Wochen, umso lauter in uns erklingen: Christus ist wahrhaftig auferstanden! Daran halte ich mich fest, in all der Unsicherheit, in meiner Ohnmacht.
Möge uns alle die Hoffnung auf Gottes guten Willen stärken. Mögen Sie alle, möget ihr alle, mögen wir alle behütet sein. Heute und in allem, was kommen mag!
Gottes Segen mit Ihnen und euch,
Pastorin Sina Schumacher