Impuls von Pn. Schumacher zum Sonntag, 28. März 2020
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Ende.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß die Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
In der heutigen „Andacht To Go“ begrüße ich Sie und euch mit einem Gedicht von Ludwig Uhland. Es heißt „Frühlingsglaube“ und wurde 1815 verfasst.
In den letzten Tagen wurden wir mit den Sonnestrahlen reich beschenkt, wenngleich die beschriebenen Lüfte recht häufig noch ganz schön kalt um die Ecken fegten. Und doch, da war schon viel zu entdecken in der Natur.
Käfer krabbeln und sonnen sich an der Hauswand, die ersten Blumen zeigen ihre Farben, die ersten Blätter zeigen sich an den Bäumen und die Forsythien laden schon ein, Osterschmuck an sie zu hängen.
Auch ich war in der vergangenen Woche häufig im Garten aufzufinden. Und so wurde ebendieser Garten für mich zu einem Medium – so will ich es mal nennen –, mit der Kontaktsperre, die seit dem letzten Sonntag gilt, umzugehen. Nicht nur, weil ich im Garten so viel zu tun habe – ja, ich gebe zu, mein Beet ist so früh schick gemacht, wie nie zuvor –, sondern weil es sich über den Gartenzaun in angemessenen Abstand zueinander so gut erzählen lässt. Da treffe ich am Zaun Menschen, die Zeit haben, mit den Kindern eine Fahrradtour zu unternehmen. Da treffe ich Menschen, die auf dem Friedhof ihre Lieben besuchen und Blumen pflanzen. Da treffe ich Menschen, die mit ihrem Hund eine extra große Runde drehen. Und ich treffe auf Menschen, die einfach mal so an unserer Kirche vorbeischauen.
Und auf der einen Seite macht es mich traurig, dass wir eben nur über den Gartenzaun erzählen können. Dass wir Abstand halten müssen. Dass eine vielleicht nötige Umarmung warten muss. Dass ein Vieraugengespräch über Sorgen über die Zukunft nicht im geschlossenen Raum geführt werden kann. Dass auch unsere Kirchentüren geschlossen bleiben, obwohl sich so mancher danach sehnt, in unserer Kirche ein Gebet zu sprechen und eine Kerze zu entzünden.
Doch auf der anderen Seite sehe ich mit einem anderen Blick auf diese Situation. Ich sehe: Da blüht auch etwas! Da blüht in uns die Aufmerksamkeit, die wir unserem Nächsten schenken, indem wir uns mehr Zeit für ein Gespräch zum Beispiel über den Gartenzaun nehmen. Da blühen Projekte und Hilfsaktionen in unserer Gesellschaft und auch in unserem Dorf. Da blüht die Kreativität auch im ganz Kleinen in den Fragen: Wie gestalte ich meinen Alltag neu? Wie beschäftige ich mein Kind? Was habe ich in der letzten Zeit immer aufgeschoben, wofür habe ich nun Zeit?
Ich nehme in diesen Tagen beides wahr: Die Sorgen und Ungewissheit und zugleich auch die vielen Möglichkeiten, die sich mir aufgrund dieses „Ausgebremstsein“ ergeben. So habe ich mir zum Beispiel nie zuvor beim Pflanzen meiner Blumen so viel Zeit gelassen. Habe mir jede einzelne Knospe angeschaut und mich an ihrer Farbe erfreut. Konnte dabei meine Gedanken schweifen lassen und mich dabei erinnern, dass es da noch viel mehr Themen auf dieser Welt und in meinem Leben gibt, als dieses Virus. Dass da viel Dankbarkeit in mir ist.
Ludwig Uhland schrieb in einem seiner Verse: „Man weiß nicht, was noch werden mag“. Ja, damit hatte er damals und auch heute recht. Wir wissen nicht, wie es weiter geht mit der Kurve der Infektionen, wie es weiter geht mit den Ausgangsbeschränkungen, wie es weiter geht mit unserer Gesundheit und auch mit unserer Geduld. Und doch kommt schon als nächster Vers in dem Gedicht: „Das Blühen will nicht enden.“
Ich höre das ein wenig als ein trotziges „dennoch“. Höre darin deutlich, dass es zu jener wie auch zu dieser besonderen Zeit, immer auch Momente der Verzweiflung gab und gibt. Und dennoch will es in unserem Leben blühen. Da ist ein Geist, der – so glaube ich – der Geist Gottes ist, der mir die Kraft gibt, zum einen die Blüte in meinem Leben zu erkennen und zum anderen selbst zu blühen. Und diese Blüte kann ganz praktisch aussehen: Im Aktiv-werden für andere und im Aktiv-werden für sich selbst. Zugleich kann die Blüte auch in meinem Inneren für mich allein und schließlich auch für andere sichtbar werden: Im Innehalten und Betrachten der Natur und ihrer aufblühenden Schönheit, weil sich mein Herz dafür öffnet. Im Durchatem und Dankbarsein für Gottes immer wieder kraftvoller Schöpfung. Im Gebet, in dem ich Danke für all das, was in meinem Leben blüht, und zugleich darum bitte, dass meine Sorgen in Gottes Hände aufgehoben sind.
Ich wünsche Ihnen und euch gerade jetzt einen Frühlingsglauben. Einen Glauben, der weiß, dass nach jedem Winter auch der Frühling einbricht. Einen Glauben, der fest darauf hofft, dass auch in stürmischer und kalter Zeit Gottes wärmende Kraft in uns erblühen kann und will.
Bleiben Sie und bleibt ihr behütet!
Ihre und eure Pastorin Sina Schumacher