Andacht für den 19. April 2020
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
kennen Sie, kennt ihr das auch… Man geht durch den Einkaufsladen und entdeckt zufällig etwas, was einen an die eigene Kindheit oder Jugend erinnert? Mir passiert das, seitdem ich auch für meine Tochter einkaufe, ziemlich oft. Es gibt noch so einige Dinge, die ich damals schon gern genascht habe, oder mit denen ich gern gespielt habe. Eine Sache, bei der ich im Einkaufsladen vor ein paar Wochen leuchtende Augen bekam, ist ein Lutscher mit einer bunten Kappe und zugleich ist dieser eine Pfeife.
Bei dieser Süßigkeit erinnere ich mich an Sommertage, in denen ich mit Freunden im Wald Höhlen gebaut habe. Und an das Erkennungszeichen – das Pfeifen auf dem Lutscher.
Schon lange keine Kinder mehr, sind unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden. Das würden sie selbst jedenfalls so sagen. Sie sind Jugendliche, die selbst schon auf ihre Kindheit zurückschauen. In diesem Alter sind sie alt genug, um immer mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Dabei klappt nicht alles von Anfang an. Das wissen wir aus unserer eigenen Jugend sicherlich noch zu gut. Eine erste große Entscheidung, ist die Frage, ob sie oder er konfirmiert werden will.
In der Regel ist die Konfirmandin und der Konfirmand 14 Jahre alt, wenn sie oder er das große Fest ihres Glaubens feiert. Es ist ein besonderer Tag im Leben, der oft groß gefeiert wird, an dem sich die Konfis richtig herausputzen. In diesem Jahr wäre die Konfirmation der Calberlaher Konfis eigentlich an diesem Sonntag. Am Sonntag Quasimodogeniti. Traditionell am ersten Sonntag nach dem Osterfest.
Dieses Jahr ist jedoch alles anders – auch die Konfirmation kann an diesem Sonntag nicht gefeiert werden. Das ist vor allem für die Jugendlichen sehr schmerzvoll. Denn auf was arbeitet man in diesem Alter knapp zwei Jahre hin, um dann groß zu feiern? Und ja, das war manchmal wirklich Arbeit für die Konfis. Denn wie das so in einer Gruppe ist – mit dem einen oder der anderen versteht man sich besser, mit dem anderen weniger. Manch ein Thema findet man spannender, ein anderes nicht so sehr. Manchmal war die Schule echt anstrengend und der Konfi-Unterricht danach echt noch das I-Tüpfelchen. Ja, auch solche Zeiten gab es. Und doch, wenn es um das Thema Konfirmation ging, leuchteten die Augen aller Konfis!
Wir wissen heute leider noch nicht, wann wir die Konfirmation nachfeiern können. Hoffentlich können wir dazu bald genaueres sagen. Auch und vor allem deshalb, weil sich unsere Konfis so sehr wünschen, dieses Fest zu feiern. Vielleicht erinnern Sie sich, erinnert ihr euch ja auch noch daran, wie es war vor der eigenen Konfirmation.
Der heutige Sonntag schaut eigentlich (irgendwie ja sehr passend zur Konfirmation) auf die allerersten nachösterlichen Begebenheiten zurück. Jesus ist auferstanden und hat sich auch schon den Jüngern gezeigt. Nur einer – Thomas – hatte dies verpasst. Er war nicht anwesend, als Jesus erschienen war. Und so tat er sich schwer damit, den anderen zu glauben, was diese gesehen hatten. „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben.“, sagte er und bleibt dabei. Acht Tage vergehen.
Und als die Jünger wieder beisammen sind, erscheint Jesus unter ihnen. Er begrüßt sie und dreht sich prompt zu Thomas. Er fordert ihn auf ihn anzufassen. Den Finger in die Wunde zu legen, damit Thomas wirklich sieht, spürt und glauben kann, was da passiert ist. Thomas tut es und er glaubt. Und Jesus sagt: „Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“
Nicht sehen und doch glauben! Das ist ein immer wieder kehrendes Thema in unserem Glauben. Und warum sollte es uns da auch besser gehen, als Thomas, der gemeiner Weise als der „Ungläubige Thomas“ in die Geschichte einging. Ehrlicher Weise wünschte ich mir dann und wann auch: Sehen und erst recht glauben! Doch das wird sich wohl erst so richtig erfüllen, wenn es auch für mich an der Zeit ist gänzlich bei Gott zu sein.
Nicht sehen und doch glauben, das ist auch ein Thema für unsere Konfis. Das Thema Glaube im Allgemeinen. Ist das nicht etwas aus vergangenen Zeiten? Ist es nicht besser zu wissen, alles beweisen, wissenschaftlich belegen zu können? Die Konfis sagen bei ihrer Konfirmation dazu: Nein! Oder besser gesagt: Sie sagen „Ja“ zu ihrem Glauben. Zu einem Glauben, der da ist. Der manchmal für Menschen unlogisch erscheint. Der aber in einem tiefen Vertrauen wurzelt. Der ihnen immer wieder sagt: Ich bin wertvoll und von Gott geliebt.
Vor ein paar Jahren fragte ich meine Konfis: „Mit welchem Bild würdet ihr den Glauben beschreiben?“ Da meldete sich einer der Konfis und sagte: „Ich denke, das ist so wie mit der Luft. Wir sehen sie nicht, wissen aber, dass sie da ist. Sonst könnten wir ja nicht atmen. Und ab und zu, da sehen – ich sage mal – die Folge der Luft…nämlich dann, wenn sie zu Wind wird und die Bäume bewegt. So ist das vielleicht auch mit dem Glauben: Nicht sichtbar, aber manchmal passiert da unter uns Menschen etwas, das wir spüren. Dann ist der Glaube oder auch Gott doch spürbar!“ Ein wundervolles Bild, finde ich.
Der Glaube ist wie die Luft, die ich zum Atmen brauche. – Wie wunderbar, wenn man dies aus vollem Herzen immer wieder sagen kann!
Der Glaube kann auch mal stürmisch sein und alles durcheinanderwirbeln, was sonst immer schön geordnet ist. – Wie erfrischend solch eine Erfahrung auch mal sein kann!
Der Glaube kann ganz schön laut durch den eigenen Gedankenwald pfeifen, um einen neuen Weg zu offenbaren oder aufzuzeigen, wo es weiter gehen kann. – Wie gut, wenn da dieser eine Freund – Gott – ist, der seinen Geist durch die Pfeife pustet, dass wir sein Wort hören. Wenn wir merken, dass wir nicht allein unterwegs sind.
Ich wünsche Ihnen und euch viele verschiedene Glaubenserfahrungen – auch mal ein laues Lüftchen, aber ebenso oft mal ein aufweckendes Brausen. Und dann und wann wünsche ich diesen Pfiff, der uns zeigt, dass wir nicht allein sind. Dass da jemand auf uns wartet – in der Höhle im Wald und in der Welt.
Bleiben Sie und bleibt ihr behütet!
Ihre und eure Pastorin Sina Schumacher