Impuls für Sonntag, den 3. Mai 2020
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
oh, ich vermisse es…Menschen zum Kaffeetrinken an einem Tisch zu haben. Momentan ist unsere Nachmittagstafel eher überschaubarer Natur. Natürlich gibt es an manchen Tagen auch mal Kuchen, aber ich hole dann nicht das gute Geschirr heraus. Zaubere dann keine Servietten aus dem Schrank hervor. Servietten. Ja, wenn Sie und ihr meinen Mann fragen würdet, würde er sagen: „Bei jedem Einkauf landen immer auch Servietten und Kerzen mit im Einkaufswagen. Davon kann meine Frau nie genug haben, selbst wenn der Schrank aus allen Nähten platzt!“ Und er hat recht! Jeder hat da ja so seine Eigenarten… Eine meiner ist es, dass ich es schön finde zu verschiedensten Anlässen passende Servietten zu haben. Ich freu mich über Servietten mit Sprüchen wie „Schön, dass du da bist!“, ich mag Servietten mit floralen und tierischen Motiven, auch mit glitzernden Punkten oder aber – z.B. zum Kindergeburtstag – mit kleinen Kindergesichtern mit Schokoschnute. Servietten zaubern mir und meist auch meinen Gästen ein Lächeln ins Gesicht. Und dann gibt es da ja auch noch unendlich viele Varianten sie zu falten… Ich vermisse Kaffeetafeln mit schönem Geschirr, Servietten und Kerzen. Und vor allem vermisse ich die Menschen, mit denen ich gern bei Kaffee, Tee und Kuchen zusammensitze. Vielleicht kennen Sie, kennt ihr dieses Gefühl gerade auch.
Jubilate – heute ist der Jubelsonntag! Jubelt und seid froh, jauchzet! Das ruft uns dieser Sonntag entgegen. Es ist eigentlich ein heiterer Sonntag, den wir heute begehen, an dem in vielen Gemeinden passender Weise auch Konfirmationen gefeiert werden. So wie in Essenrode… normalerweise jedenfalls.
Jubilate 2020 – ist mir heute zum Jubeln zumute? Bleibt mir der Jubel nicht im Halse stecken, wenn ich an die momentane Situation in unserem Land und in der Welt denke?
Was dieses Virus an Auswirkungen mit sich ziehen wird, werden wir noch lange spüren: Im medizinischen und gesundheitlichen Bereich, in der Forschung, in der Wirtschaft, im Sozialwesen, in unserer Gesellschaft, ja und auch in unseren Kirchen.
Vor ein paar Tagen kamen die offiziellen Verlautbarungen, dass die Kirchen nun endlich wieder Gottesdienste feiern dürfen. Viele von uns haben da aufgeatmet, manche gar gejubelt. Auch ich, die ich die Gemeinschaft im Gottesdienst sehr vermisse, habe mich gefreut, dass wir bald wieder zusammen feiern können. Aber zugleich weiß ich schon jetzt, dass die Art der Gottesdienstfeier sich immens verändern wird. Das Hygienekonzept, welches wir als Voraussetzung umsetzen müssen, ist kein Dreizeiler. Im Gegenteil, es wird einige Zeit dauern, diese Maßnahmen umsetzen zu können. Dazu beraten die Kirchenvorstände intensiv und immer im Blick auf die Verantwortung für unsere Gemeindeglieder und Gottesdienstbesucher.
Jubilate – so richtig Jubeln fällt mir momentan schwer, gebe ich zu. Denn jede gute Nachricht – z.B. die, dass wir wieder Gottesdienste feiern können – trägt auch immer einen schmerzenden Punkt mit sich: Es wird ganz anders sein (müssen), als je zuvor!
Und doch, wenn ich heute auf den Text des Evangeliums schaue, dann merke ich, dass in diesem Sonntag viel mehr stecken will, als der einfache Jubel über gute Zeiten oder Glück im Leben. Denn mal ehrlich: Wann gab es denn mal Zeiten, in denen es wirklich allem Menschen dieser Erde einfach nur gut ging?
Die Evangeliumslesung an Jubilate ist ein Wort aus dem Johannesevangelium:
Jesus sagte: „Ich bin der wahre Weinstock. Mein Vater ist der Weinbauer.
Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht trägt. Und er reinigt jede Rebe, die Frucht trägt, damit sie noch mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein geworden durch das Wort, das ich euch verkündet habe. Bleibt mit mir verbunden, dann bleibe auch ich mit euch verbunden. Eine Rebe kann aus sich selbst heraus keine Frucht tragen. Dazu muss sie mit dem Weinstock verbunden bleiben. So könnt auch ihr keine Frucht tragen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts erreichen.“ (aus Joh 15; Basisbibel)
Jesus nutzt das Bild des Weinstocks, um seine Verbindung zu uns Menschen und ebenso zu Gott zu beschreiben. Jesus selbst ist in diesem Bild der Weinstock. Ein kräftiger Weinstock, der ordentlich Reben austreibt, die in diesem Bild wir Menschen sind. Dass diese Reben am Stock gedeihen können, darum kümmert sich der Weinbauer, Gott.
Wie jedes Bild, mit dem wir etwas verdeutlichen wollen, hat auch dieses Bild seine Grenzen. Und doch ist dieses Bild eines, mit dem ich viel anfangen kann. Denn es verbindet uns Menschen in Jesus Christus. Er stellt das Fundament da, der kräftige Strang, an dem wir sicher wachsen können, uns entfalten können. Und selbst dann, wenn anderes Kraut sich um die zarten Reben rankelt und sie versucht abzuschnüren, ist da immer noch derjenige, der alles im Blick behält – mehr wohl als wir selbst. Der Wein-bauer pflegt und kümmert sich.
In diesem Bild steckt viel Vergänglichkeit. Denn Reben verdorren nach einer Zeit. Sie werden geerntet. Wie gesagt, das Bild stößt an Grenzen, denn ich glaube kaum, dass Gott als der Weinbauer aus unserer Vergänglichkeit Profit zieht. Aber das Bild verdeutlicht mir doch wieder einmal – wie schon das Bild des Hirten vom letzten Sonntag: Ich habe nicht alles in meinem Leben selbst in der Hand. Ich wachse nicht aus mir heraus. Da ist mehr, dass mich zu dem werden lässt, der ich sein kann. Und wenn es richtig gut läuft, dann werde ich eine Rebe, die nicht nur schön anzuschauen ist, sondern eine, die mit allen Reben eines gemeinsam hat: Gemeinschaft unter uns Menschen und mit Gott. Zu jeder Zeit, an jedem Ort.
Jubilate – jubelt und jauchzet… auch in den Zeiten, in denen es schwerfällt. Ich versuche das an diesem Sonntag. Sehr wohl in dem Wissen, dass viele Menschen gerade kaum Gründe dafür haben. Aber gerade deshalb werde ich auch für sie jubeln. Denn uns alle hält ein starker Stamm zusammen. Ein Weinstock, den man vielleicht sogar erst rückblickend dann erkennen kann, wenn man eine Krise überstanden hat. Ein Stock, der aber da ist, zu jeder Zeit. Ganz fest. Ein Weinstock, der mich trotz der äußeren Distanz innerlich mit so vielen Menschen verbindet. Auch mit Ihnen und dir! Dafür bin ich zutiefst dankbar!
Ich werde heute mein gutes Geschirr aus dem Schrank holen. Und ich werde die Servietten durchforsten und schauen, welche mir gerade besonders gut gefällt. Ich werden mich an den Kaffeetisch setzen, immer noch Menschen vermissen und hoffen, dass ich sie bald wiedersehe. Aber vor allem werde ich an sie denken und auch an Sie und an dich – an eine Gemeinschaft, die durch viel mehr verbunden ist, als durch leibliche Anwesenheit!
Bleiben Sie und bleibt ihr behütet!
Ihre und eure Pastorin Sina Schumacher