Andacht für Palmsonntag, den 28. März 2021
Diese Andacht ist auch als PDF-Datei vorhanden: Bitte hier herunterladen
Andacht für Palmsonntag 28. März 2021 von Lektorin Susanne Berger
Liebe Gemeinde,
vor 14 Tagen war es ein solches Glücksgefühl, endlich wieder einmal die Tür zu unserer Kirche zu öffnen! Endlich wieder gemeinsam Gottesdienst feiern. Als die Orgel ertönte, erfüllte ein schönes Gefühl mein Herz – auch trotz der Masken und der Corona bedingten Sitzordnung. Endlich sonntags wieder gemeinsam Gottesdienst feiern…. Und so kann ich Ihnen kaum beschreiben, wie schwer es uns als Kirchenvorstand gefallen ist, erneut die kommenden Gottesdienste absagen zu müssen. Gerade Ostern ist für uns Christen ein so wichtiges Fest, welches wir von Herzen gerne gemeinsam gefeiert hätten.
Die letzte Welle ist kaum überstanden, startet schon die nächste Welle. Manch einem platzt im Moment der Geduldsfaden – die Pandemie dauert bereits so lange an und fordert einem Jeden viel ab. Ist Ihr Faden bereits gerissen?
Am selben Abend, an dem wir die Absage der Gottesdienste entscheiden mussten, habe ich an einem „Bibel-teilen“ online teilgenommen. Es ging um „das Verhör vorm Hohen Rat“ (Mt.26, 57-68). Sehr beeindruckt haben mich an der Geschichte die Worte „aber Jesus schwieg still“. Jesus hörte geduldig alle falschen Beschuldigungen gegen sich an und schwieg. Er wusste, dass er diesen beschwerlichen Weg gehen musste. Er erduldete alles.
So ist es momentan an uns. Geduldig auszuhalten und abzuwarten, um uns und unsere Mitmenschen zu beschützen. Und das gibt mir Kraft!
Wir planen als Kirchenvorstand zu Ostern wieder einen Audio-Gottesdienst, den man sowohl auf unserer Homepage aufrufen, als auch als CD aus unserer Mitnehm-Gottesdienste-Box sich abholen kann. Vielleicht geben Sie auch gerne eine CD an jemand anderen weiter, oder helfen älteren Gemeindemitglieder dabei diesen Audio-Gottesdienst aufzurufen oder abzuspielen. Damit können wir auch in Entfernung gemeinsam dieses wichtige Osterfest begehen.
*****
Ich lade Sie nun ein, machen Sie es sich gemütlich und entzünden Sie sich eine Kerze. Der heutige Palmsonntag lädt uns zu folgender Kernaussage ein: heute bejubelt, morgen fallen gelassen: der Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag steht am Anfang der Karwoche. Wenig später schlagen sie ihn ans Kreuz. Durch die Tiefe führt Gottes Weg zur Verherrlichung.
Lassen Sie uns beten:
Jesus, Christus,
Menschen haben dir zugejubelt
und dich dann doch allein gelassen.
Du wurdest gefoltert und getötet.
Wir erschrecken über die dunklen Möglichkeiten, die in uns sind.
Schenke uns Klarheit über uns selbst,
über unsere Zuneigungen und unsere Aggressionen.
Hilf uns um deiner Liebe willen.
Amen
Liebe Gemeinde,
42,195 km. Das ist die normale Strecke eines Marathonlaufs. Ein Läufer erzählt:
„Wenn der Startschuss fällt, laufe ich begeistert los. Getragen vom Applaus der Zuschauer laufe ich die ersten 5 km wie auf Wolken. Dummerweise gibt es auch noch die nächsten 37 km. Etwa bei km 15 fange ich an zu denken. Müsste jetzt nicht gleich km 17 kommen? Wie erst 16? Ob ich das schaffe? Werde ich ankommen? Bei km 25 wächst der Zweifel und fängt an zu nagen. Ab km 30 stellt sich die Sinnfrage. Ich möchte mich nur noch in den Graben werfen und heulen. Hätte ich nicht ein Ziel vor Augen…“
Im heutigen Predigttext heißt es:
Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen.
Hebr. 11, 1-2
Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande geringachtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
Hebr. 12, 1-3
Heute am Palmsonntag rufen sie noch „Hosianna, hosianna.“ Später am Karfreitag schreien sie „Kreuzige, kreuzige ihn!“ Heute wird er gefeiert wie ein König. Bald schon verachtet wie ein Verbrecher. Heute wird er auf dem Rücken eines Lasttieres getragen, bald schon trägt er die Last des Kreuzes auf seinem eigenen Rücken.
Ach, wenn dieser Augenblick doch nur andauern könnte. Wenn es doch nur immer so bliebe, immer so beliebt zu sein, immer so umjubelt, immer so erfolgreich. Nein, der Lauf des Lebens geht weiter. Nach Erfolg kommt Niederlage, nach Freude kommt wieder Leid, auf Hoch folgt wieder ein Tief.
Im Sportdress der Menschlichkeit hat Jesus seinen Lauf des Lebens angetreten. Jesus hat diesen Lauf nicht nur aufgenommen – er hat ihn auch bestanden. Er hatte sein Ziel vor Augen, und er hat dieses Ziel erreicht.
Der Läufer weiß zu berichten: „Wer Marathon läuft, muss wissen: Das ist kein Sprint, sondern ein Ausdauerlauf, eine Langstrecke. Ich muss Respekt haben vor den Kilometern. Besonders die Kilometer 35,36,37,38 und 39 haben es in sich. Wenn ich lossprinte wie ein Verrückter, werde ich keine Kraft haben für diese Kilometer. Bei km 35 steht sinnbildlich der Mann mit dem Hammer und haut dich um.“
Als Jesus wie ein König gefeiert in Jerusalem einzog, wusste er genau, was ihn erwarten würde. Er wusste, dass sehr bald schon Leid, Schmerz und Tod auf ihn warten würden. Und er ging bewusst und willentlich diesem Schicksal entgegen. Er lief ihm nicht davon. Er ging ihm entgegen. Weil er sein Ziel vor Augen hatte: das ewige Leben und die himmlische Herrlichkeit. Jesu Passion war nicht nur passiv erduldetes Leiden. Es war auch bewusste und gewollte Aktion. Er hat sich dem Lauf gestellt.
Zu leiden ist nichts Erstrebenswertes. Leidensbereitschaft ist uns gewöhnlich etwas Fremdes. Vielmehr suchen wir immer, alles mögliche Leid zu vermeiden. Versicherungen, Impfungen und Präventionen. Das ist auch gut und berechtigt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch gibt es im Lauf des Lebens auch Schwierigkeiten und Hindernisse, die nicht veränderbar sind, denen ich mich stellen muss. Sie kommen auf mich zu – ob ich will oder nicht. Irgendwann kommt km 35. Das erfordert einen langen Atem wie im Marathon. Geduld zum Durchhalten. Es wird leichter, wenn ich auf das Ziel sehe.
Das gilt im übertragenen Sinn auch auf unsere jetzige Situation. Kaum Kontakte, keine Gottesdienste in der Kirche und die vielen anderen Dinge, die es derzeit zu entbehren gilt. Auch das erfordert einen langen Atem. Geduld zum Durchhalten. Es wird leichter, wenn wir auf das Ziel sehen.
Keiner zieht sich beim Marathon einen schweren Mantel an– denn das beschwert. Es gibt Lasten, die den Lauf unnötig erschweren. Energiefresser in meinem alltäglichen Leben. Welche Dinge kosten mich über die Gebühr Kraft? Was strengt mich mehr an als es mich voranbringt? Aber auch: wo bin ich an Gott und an anderen Menschen schuldig geworden? Wo nagt das schlechte Gewissen? Und wo lasse ich mich von ungutem Gewohnten und Süchten gefangen nehmen? Unnötiger Ballast beim Lauf. Lasten ablegen – so rät uns der Bibeltext.
Momentan ist man verleitet, sich über die eine oder die andere Entscheidung in der Corona-Politik zu ärgern, sich aufzuregen. Aber bringt mich – bringt uns das voran? Erschwert das nicht unnötig meinen Lauf? Ist es nicht leichter, die Regeln so gut ich es aus eigener Kraft kann zu befolgen?
Ebenso lohnt sich der Blick auf meine eigenen Energiequellen. Was gibt mir Kraft, tut mir gut, was macht mich lebendig? Unser Predigttext empfiehlt uns als Energiequelle: aufsehen auf Jesus. Denn er ist derjenige, der seinen Lauf gezielt zu Ende gebracht hat, der seinen Platz auf der Ehrentribüne Gottes schon eingenommen hat und seinen Nachfolgern dort Plätze reserviert. Er ist das Vorbild, das Idol, zu dem wir aufschauen. Und er wartet am Ziel, auf das wir zulaufen: das Himmelreich.
Also nur ein Blickwechsel? Das ist alles? Ja, denn dieser Blickwechsel ist entscheidend. Wer beim Laufen nicht nach vorne sieht, der findet seinen Weg nicht. Da übersieht man auch schnell die Baumwurzeln, die aus dem Waldweg ragen. Der Blick nach vorne im Lauf unseres Lebens und Glaubens richtet sich auf Jesus. Er ist aber nicht nur vorausgegangen, nicht nur ein verschwommener Punkt am Horizont. Jesus ist mir ein Vorbild, dem ich nacheifere. Er hatte diesen Lauf selbst zu bewältigen und ist ihn angetreten, hat die Durststrecke durchgestanden und hat den Lauf bestanden. Denn er hatte das Ziel vor Augen, am Ende des Weges bei Gott im Himmel zu sein.
Liebe Gemeinde, ich glaube das. Ich glaube, dass es ein Leben nach diesem Leben geben wird. Ein Leben bei Gott. Das ist das Ziel. Und der Weg dahin führt mitten durch dieses unser Leben. Das ermutigt mich, den Unwegsamkeiten des alltäglichen Lebens entgegenzutreten und zu wissen: es gibt ein Ziel am Ende dieses anstrengenden Laufes.
Hören wir noch einmal unseren Marathonläufer: „Beim Laufen hilft nur zweierlei:
1. Ich denke an die Kilometer, die hinter mir liegen, die ich schon geschafft habe.
Und 2.: ich denke an die Freude, wie es sein wird, über die Ziellinie zu laufen.
Manchmal endet ein Marathon auf einem Kirch- oder Domplatz – dann liegt man erschöpft auf dem Boden, schaut in den blauen Himmel und hört die Glocken. Das ist es doch wert, das will ich nicht verpassen.“
Amen.
Jesus Christus,
du hättest vor Schmerzen und Tod fliehen können.
Aber du hast dich für uns entschieden.
Du kommst zu uns,
aber wir haben keine Palmzweige.
Unsere Hände sind leer.
Wir halten dir nur unsere Bitten hin.
Wir bitten dich für unsere Kinder.
Wir halten dir ihre Ängste und ihre Verzweiflung hin.
Wir halten dir ihre Müdigkeit und ihre Sehnsucht hin.
Wir bitten dich für die Kinder,
die hungern, geschlagen und versklavt werden.
Wir halten dir ihre Schmerzen hin.
Jesus Christus,
auch du warst ein Kind.
Komm und erbarme dich.
Wir bitten dich für die Menschen,
deren Entscheidungen über das Leben vieler bestimmen.
Wir halten dir ihre Ratlosigkeit hin.
Wir halten dir ihre Überforderung hin.
Wir bitten dich für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
für alle, die ihre Kräfte für andere hergeben.
Wir halten dir ihren Dienst und ihre Hingabe hin.
Jesus Christus,
auch du hattest Geduld mit denen, die dir vertrauen.
Komm und erbarme dich.
Wir bitten dich für die Menschen,
die am Glauben festhalten.
Wir bitten dich für unsere jüdischen Geschwister,
die heute mit dem Passafest beginnen.
Wir bitten dich für deine weltweite Kirche,
für alle, die in diesen Tagen
dein Leiden bedenken und deine Nähe suchen.
Wir halten dir den Glauben deiner Gemeinde hin.
Wir haben keine Palmzweige.
Wir haben nur unsere Hoffnung.
Wir haben unser Lob.
Auch in diesem Jahr loben wir dich
mit unseren Gebeten,
mit unserem Hören,
mit unserem Sorgen und unserer Liebe.
Jesus, du bist der Anfänger und Vollender unseres Glaubens.
Du hast dich für uns entschieden.
Komm und erbarme dich –
Heute und morgen und an jedem neuen Tag.
Amen.
Und mit den Worten, die Jesus Christus uns gelehrt hat, wünsche ich Ihnen von Herzen einen besinnlichen Palmsonntag.
Vater unser im Himmel…